Eigentlich sind wir mit dem Ziel in die Sachsenliga gestartet, einfach nur die Klasse zu halten. Nach zwei weiteren Siegen stehen wir nun plötzlich und unerwartet an der Tabellenspitze.
Runde 2 – Auswärts bei Grün-Weiß Dresden II
Wenn in der Oberliga spielfrei ist, weiß man bei Grün-Weiß Dresden II nie so genau, was da eigentlich auf einen zukommt. Wir sind generell Außenseiter gegen dieses starke Team, doch dieses Mal stand auch noch eine eine erstaunlich starke Aufstellung hinter den Brettern.
Bei uns fehlte Frank; dafür rückte Stefan nach – unser eigentlicher Mannschaftsleiter, der normalerweise in der Zweiten am Spitzenbrett spielt. Ein sehr ordentlicher Ersatz, aber gegen diese Dresdner Formation trotzdem alles andere als ein Selbstläufer.
Der Kampf begann zäh. Es dauerte gefühlt ewig, bis das erste Ergebnis feststand. Bernd war schließlich derjenige, der den Bann brach: ein solides, abgeklärtes Remis mit etwas Druck, den sein Gegner aber zusammenhielt. Damit waren wir im Match angekommen.
Kurz darauf sorgte Kevin für den ersten vollen Punkt. Er fuhr einen ziemlich souveränen Start-Ziel-Sieg ein – nie wirklich in Gefahr, immer mit der Hand am Geschehen. Schöni wirkte schon früh sehr zufrieden mit seiner Stellung und verwertete seinen Vorteil später konsequent zum Punkt. Parallel dazu schrieb Krzysztof seine eigene kleine Eröffnungsgeschichte: Auf der Fahrt nach Dresden hatte er noch erzählt, dass es genau eine Variante gab, auf die er sich konkret vorbereitet hatte – und genau diese stand dann tatsächlich auf dem Brett.
Die Folge: Nach etwa 25 Zügen hatte Krzysztof dank Inkrement mehr Zeit auf der Uhr als zu Beginn, während sein Gegner schon in der Bedenkzeitkrise steckte. Trotz der Überraschung fand der Dresdner lange Zeit sehr starke Züge, bis dann doch der erste richtige Fehler kam. Ab da kannte Krzysztof keine Gnade mehr und führte die Partie sauber zum vollen Punkt.

Krzysztofs Gegner hatte es versäumt, im richtigen Moment die Damen zu tauschen, was ihm trotz der weißen Qualität mehr ausreichend Spiel gegeben hätte. Damit geriet der Schwarzspieler in diesen heftigen Königsangriff. Hier gewinnen zugegebenermaßen auch einfache Züge wie Dxh6, aber Krzysztof findet ein stilvolles Ende:
32. Tg8+! Lxg8 33. Dxh6+ Ke8 34. Txg8+ Kd7 35. Tg7
Damit ist die schwarze Dame weg – und nach ein paar weiteren Zügen an Widerstand gab Schwarz schließlich auf.
Derweil lief es bei mir deutlich weniger rund. Im Grunde war meine Partie das Gegenstück zu Kevin und Krzysztof. Mit Schwarz bekam ich schon aus der Eröffnung heraus eine extrem schwierige Stellung und fand den Weg nicht mehr zurück – meine Niederlage glich Kevins souveränen Sieg gewissermaßen wieder aus, und ich gab im selben Moment auf wie Krzysztofs Gegner. Zum Glück hatte Schöni da seine gute Stellung bereits unter Kontrolle und gewann wenig später.
Damit stand es 3,5:1,5 für uns, aber so komfortabel, wie das klingt, war es auf den restlichen Brettern überhaupt nicht. Alle Bretter sahen eher kritisch bis wacklig aus, und so richtig war nicht klar, wo noch ein halber oder gar ein ganzer Punkt herkommen sollte.
Dann kam Stefans Auftritt. Seine Stellung war lange Zeit eher etwas unangenehm – wahrscheinlich sogar teilweise verloren – doch im weiteren Verlauf drehte sich das Blatt. Plötzlich war da nicht nur Kompensation, sondern echte Gewinnperspektive – und er nutzte sie konsequent. Sein voller Punkt war der Big Point zum 4,5 und damit die endgültige Entscheidung zuunseren Gunsten!
Migu war im Mittelspiel in große Probleme gekommen ... er kämpfte noch lange zäh weiter, musste sich aber letztlich geschlagen geben.

Interessant war dieser Moment. Hier hatte Migu die Möglichkeit, mit 50. Sd6!? seinen Gegner zu fragen, ob er denn mit Springer und Läufer allein mattsetzen kann. Immerhin gab es schon Weltmeisterinnen bei den Damen, denen das zu hoch war. Migu traute es seinem Gegner zu, aber ich selbst hätte es als den besten Versuch gesehen. Würdet ihr es hinkriegen?
Kai saß als Letzter am Brett und rettete in einem Endspiel, das man nicht unbedingt halten muss – um euphemistisch zu sagen, dass es völlig verloren war – am Ende sogar noch ein Remis, um unseren Sieg noch höher zu gestalten als erhofft.
Am Ende stand ein 5:3-Auswärtssieg auf dem Spielbericht – gegen eine starke, breit aufgestellte Dresdner Mannschaft. Ein sehr wertvoller Mannschaftspunktgewinn und ein kräftiger Schub für die Stimmung.
Runde 3 – Heimspiel gegen Oberland
Nach zwei Siegen gegen gute Gegner blieb unser Saisonziel unverändert: Wir wollten die Klasse halten. Genau aus dieser Perspektive war das Heimspiel gegen Oberland ein echtes 4-Punkte-Spiel. Auf dem Papier gehört Oberland eher zu den schwächeren Mannschaften der Liga – aber gerade solche Kämpfe können bekanntlich besonders unangenehm werden.
Zu unserer Überraschung beantragte Oberland als Gastmannschaft keine Verlegung von 9 auf 10 Uhr, obwohl ihnen das grundsätzlich zugestanden hätte und die Anfahrt nicht gerade kurz ist. So wurde pünktlich um 9 Uhr in Zwickau gespielt – und wir konnten mit voller Stammaufstellung antreten: vorne Krzysztof und ich (Markus), dahinter Bernd, Kevin, Migu, Frank, Kai und Schöni als die Kirsche auf der Torte.
Der Kampf entwickelte sich dann genauso unruhig, wie man es aus Mannschaftskämpfen kennt, bei denen eigentlich alles klar sein sollte: nichts war klar. Die Bewertungen wechselten; an manchen Brettern kippte die Stellung gleich mehrmals.
Krzysztof lief mit Schwarz wie in Runde 1 erneut eine Vorbereitung des Gegners, kannte aber diesmal die Variante sehr gut. Objektiv hatte er mit Springer und Läufer gegen das gegnerische Läuferpaar eher die etwas gedrücktere Seite der Stellung, musste die ganze Zeit über leicht leiden, aber stand nie wirklich vor echten Problemen. Am Ende wurde es ein recht unspektakuläres Schwarzremis, das an Brett 1 aber völlig in Ordnung war.
Bei Bernd sah es mit Schwarz zunächst so aus, als könne er ernsthaft unter Druck geraten. Er löste seine Probleme jedoch umsichtig mit einem Bauernopfer, neutralisierte die Initiative seines Gegners und nahm ein relativ frühes Remis mit – ein stabiler halber Punkt, der dem Mannschaftsbild guttat.
Kai dagegen stand gefühlt die ganze Zeit im Gegenwind. Er war aus der Eröffnung heraus ins Hintertreffen geraten und musste sich mit einem Bauern weniger verteidigen. Zum Glück investierte sein Gegner enorm viel Zeit, sodass am Ende nicht nur die Stellung, sondern auch die Uhr mitspielte. Trotz Mehrbauer willigte Kais Gegner deshalb in ein Remis ein. Das war in dem Moment eine wichtige Rettungstat – nur leider mussten wir damit auch sehen, wo unsere Punkte noch herkommen sollen.
Frank an Brett 6 startete furios: früh ein Bauer mehr, kurz darauf noch einer. Eigentlich ein Traumverlauf, wäre da nicht zwischendurch die eine oder andere kritische Situation aufgekommen. Sein Gegner hatte durchaus noch Chancen, die ungenutzt blieben, und am Ende setzten sich die Mehrbauern durch, und Frank fuhr den vollen Punkt ein.
Migu baute seine Stellung Schritt für Schritt aus, stellte immer neuen Druck auf und brachte seinen Gegner zunehmend in Zeitnot. Schließlich fiel tatsächlich das Blättchen noch vor dem 40. Zug. Damit hatten wir mal wieder 3,5 Punkte zusammen bei 3 Brettern, die noch spielten.
Leider war Schönis Partie ein Auf und Ab: Die Eröffnung lief noch sehr gut für ihn, später geriet er jedoch ernsthaft auf Verlustkurs. An Kevins Brett sah es nicht viel besser aus. Er war inzwischen von seinem Gegner ziemlich zerlegt worden und stand deutlich auf Verlust.
Damit lastete der eigentliche Druck zu diesem Zeitpunkt auf mir. Meine Partie war von Anfang an sehr scharf, ich hatte mir zwar einen Vorteil erarbeitet, aber meine Gegnerin kam zu Gegenspiel, und die Zeit lief bei beiden Richtung 40. Zug herunter. Es war einer dieser Momente, in denen man ständig dachte: „Bitte jetzt nichts Einfaches übersehen.“

Das hier war eine Stellung, die in meinen (teilweise abstrusen) Berechnungen vorkam, wenn auch nicht in der Partie. Sie zeigt nur, wie sehr sich Weiß in manchen Varianten noch hätte hüten müssen, weil der c-Bauer zwar enorm stark, der weiße König aber enorm unsicher ist. Schwarz hätte hier ...
35. ... Txh2+!! 36. Kxh2 De2+ 37. Kg3 Lh4+!! (statt den Turm zu nehmen!) und nach 38. Kxh4 Dh2+ würde die Partie im Dauerschach landen.
Doch Migu leistete mir genügend emotional suppert – und dann kam zum Glück irgendwann der Moment, an dem sie die Stellung nicht mehr halten konnte und aufgab. Der Befreiungsschlag: 4,5 Punkte, Mannschaftssieg gesichert.
Kurz darauf stabilisierte sich auch Schönis Partie endgültig. Aus der zwischenzeitlich schlechten Stellung war inzwischen ein Endspiel geworden, in dem er mindestens Remis stand – mit ein wenig genauer Technik wäre sogar noch mehr drin gewesen.

Nachdem sich die schwarzen Bauern gefühlt 2 Ewigkeiten lang nicht mehr bewegt hatten, sind die weißen Bauern mittlerweile selbst sehr weit vorgerückt. Hier hätte 56. ... Tg1!! sogar noch gewonnen, weil der g-Bauer noch f7 deckt und der schwarze König nicht zur Hilfe eilen kann. Stephan nahm hier allerdings mit dem Vorstoß des g-Bauern einfach das Remis mit.
Am Ende stand sein halber Punkt, was für uns den fünften Zähler bedeutete.
Kevin kämpfte als Letzter noch lange, doch die Stellung war nicht mehr zu retten, und so ging seine Partie verloren. Am Endergebnis änderte das nichts mehr: 5:3 für uns – erneut.
Plötzlich und unerwartet
Unser Start in die Sachsenliga war von einem sehr bodenständigen Ziel geprägt: Wir wollten die Klasse halten. Nach diesen beiden 5:3-Siegen stehen wir nun an einem Punkt, an dem dieses Ziel schon fast zu tief gegriffen wirkt. Wir sind plötzlich und unerwartet Tabellenführer – etwas, womit vor der Saison wohl niemand ernsthaft gerechnet hätte.
Natürlich ist die Saison lang, und natürlich werden noch stärkere Gegner und schwierigere Tage kommen. Aber im Moment spricht vieles dafür, dass wir bald gar nicht mehr ernsthaft in Abstiegsgefahr geraten können. Wir punkten an allen Brettern, die Mannschaft zeigt Kampfmoral, hält in schwierigen Stellungen dagegen und nutzt ihre Chancen, wenn sie sich bieten.
So blicken wir mit einer Mischung aus Staunen, Freude und wachsender Zuversicht in die kommenden Runden.
Der Klassenerhalt rückt in greifbare Nähe – und vielleicht schreibt diese Saison ja noch eine Geschichte, die über „nur nicht absteigen“ weit hinausgeht.
(mb)